Moderne Tools zur Instandhaltungsoptimierung

Das Interview zum Webinar (Teil II)

Anlässlich des Webinars vom 20.05.2021 folgt hier der zweite Teil der Expertengespräche. Nach dem spannenden Interview mit Dr. Robin Kühnast-Benedikt (BOOM Software AG) zur modernen Instandhaltung und der Bedeutung der firmeneigenen Softwarelösungen, sprechen wir in diesem Beitrag mit Dr. Harald Piringer, seinerseits CEO der Visplore GmbH, über einen weiteren wichtigen Baustein für aktuelle und zukünftige Problemstellungen und deren Lösung im Bereich der Anlagenwirtschaft.

Während sich BOOM erfolgreich auf die Welt der IPSA/CMMS-Software spezialisiert hat, bedient Visplore einen ganz anderen Teilbereich einer digitalisierten Instandhaltung, nämlich jenen der Datenexploration und Root-Cause Analyse. Wieso diese einen großen Mehrwert im Umgang mit den auch im Instandhaltungsbereich immer größer werdenden Datenmengen liefert und wie die gleichnamige Software "Visplore" den einzelnen Instandhalter bei der effektiven Durchführung von Teilaspekten seiner Arbeit unterstützen kann, verrät Dr. Piringer im folgenden Gespräch.

Lehrstuhl wBw

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Dr. Harald Piringer | Visplore GmbH

Harald Piringer (Visplore)
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Herr Dr. Piringer, das Thema Digitalisierung hält inzwischen Einzug in alle Bereiche des Lebens. Welche Trends und Herausforderungen sehen Sie in der Instandhaltung betreffend Daten?

Immer mehr Produktionsketten werden digitalisiert. Dadurch wachsen sowohl die Datenmengen als auch die Erwartungen des Managements, aus diesen Daten einen Nutzen zu ziehen. Etwa für Verbesserungen in der Verfügbarkeit von Anlagen und zur Reduktion von Wartungskosten. Die Ziele sind oft hochgesteckt und gehen stark in Richtung Artificial Intelligence (Stichwort "Predictive Maintenance").

In der Praxis liegen aber häufig die Herausforderungen auf anderer Ebene: Einerseits technischer Natur, um Daten von älteren Anlagen überhaupt zu bekommen und skalierbar zu speichern. Noch mehr aber betreffend Know-How, um mit den Datenmengen effizient umzugehen - insbesondere bei Hürden wie einer mangelnden Datenqualität. Dabei spielen Experten, die Anlagen und Prozesse gut kennen, eine zentrale Rolle. Data Scientists und IT sind wichtig, haben aber oft eingeschränktes Prozesswissen. Daher ist eine Kernfrage: wie können Prozessexperten selbst die Daten zur Prozessverbesserung nutzen? Eine erfolgreiche Digitalisierung kommt am Wissen der bestehenden Prozessexperten nicht vorbei.

Was kann Visplore beitragen, um diese Herausforderungen zu meistern?

Visplore ermöglicht auch Prozessexperten ohne Programmierkenntnis einen einfachen Zugang zu "Advanced Analytics" auf Betriebsdaten aus Anlagen. Das beginnt damit, die Daten zum eigenen Prozess richtig "kennenzulernen". Beispielsweise, um Datenfehler und anomale Betriebszustände zu entdecken. Dynamische Grafiken ohne Konfigurations- und Programmieraufwand erleichtern diese Datenexploration massiv. So können Experten effizient aus der Vergangenheit lernen und daraus Prozessverbesserungen ableiten.

Die visuelle Analyse ist ein einfacher, bewährter undwie in der Data Science Literatur betontnotwendiger Schritt bei jedem Datenprojekt und der eigenen Digitalisierungsreise insgesamt. Wichtig ist aber, dass Prozessexperten das selbst tun. Nur sie können Erkenntnisse im Prozesskontext interpretieren, um Praxisrelevanz und Umsetzbarkeit zu beurteilen.

Ein konkretes Beispiel?

Betrachten wir die Suche nach verborgenen Ursachen bei Prozessproblemen ("Root-Cause Analyse"). Als typische Herausforderung steht eine kleine Zahl an Störfällen einer oft großen Zahl an potenziell relevanten Sensoren gegenüber. Das macht eine manuelle ebenso wie eine vollautomatische Suche schwer bis unmöglich. In Visplore können Prozessexperten Störungen in historischen Betriebsdaten sehr einfach grafisch markieren ("labeln"). Visplore analysiert dann die Zeiträume rund um die Störfälle und schlägt sofort Sensoren vor, die systematische Muster zeigen. So können Prozessexperten fokussiert diese Muster betrachten und beurteilen, ob es sich um einen kausalen Zusammenhang oder Zufall handelt. "Nebenbei" wächst damit das Prozesswissen, welches nötig ist, um effektiv Gegenmaßnahmen abzuleiten.

Ein Beispiel ist die Analyse von Bakterienbefällen einer Kühlschmierstoff-Zentralanlage bei Innio Jenbacher. Durch visuell gewonnene Erkenntnisse konnte die Instandhaltung Maßnahmen ableiten, wodurch das durchschnittliche Wartungsintervall zwischen Bakterienbefällen von 19 auf 49 Tage erhöht wurde.

Wie kann man in diese Richtung am besten starten?

Ein guter Ansatz ist es, sich in kleinen Schritten die eigenen Daten einmal anzusehen – und sei es vorerst punktuell von einzelnen Anlagen. Viele unserer Nutzer waren überrascht, welche Erkenntnisse sie so bereits gewinnen. Ein häufiges Missverständnis ist, dass alle Datenqualitätsthemen davor gelöst sein müssen. Vielfach wäre das gar nicht effizient. Sondern im Sinn eines agilen Vorgehens sollte das Plausibilisieren und Bereinigen der Datenbasis Teil der visuellen Analyse sein. Visplore umfasst daher intuitive Tools zum Bereinigen von Lücken und Ausreißern.

Damit geht einher, die Datenkompetenz von Prozessexperten sukzessive zu erweitern. Interaktive Visualisierung ist hier ein bewährter Weg, da sie im Vergleich zu Programmierung oder klassischer Statistik viel anschaulicher und intuitiver ist. Das verkürzt die Lernzeit gegenüber einer Ausbildung zum (Citizen) Data Scientist deutlich. Ein Erfahrungswert ist, dass Personen mit Prozesshintergrund nach wenigen Stunden Schulung umfassende Analysen selbständig fahren können. Damit ist ein sehr wesentlicher Schritt auf der eigenen Digitalisierungsreise geschafft.

Vielen Dank für das informative Interview. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit!